Das Syndrom der trockenen Augen

  • Erstellt von Dr. med. Andres Bircher

Immer mehr Menschen leiden an zu trockenen Augen, mit Rötung, Brennen und Fremdkörpergefühl, als wäre Sand in den Augen. Dabei ist der Tränenfluss ungenügend und der dreischichtige Tränenfilm minderwertig. Zur Therapie wird üblicherweise empfohlen, die Lidränder sorgfältig zu reinigen und Tränenersatzmittel und liposomale Augentropfen oder Sprays anzuwenden. Ohne Behandlung können sich die Beschwerden allmählich verstärken und wenn dies schwer verläuft, im Auge dauerhafte Schäden anrichten.

Der Begriff „Keratoconjunctivitis sicca“ wurde zu Anfang der 1930er Jahre durch den schwedischen Augenarzt Henrik Sjögren geprägt. Nach ihm ist eine systemische rheumatische Entzündung, das Sjögren-Syndrom, benannt, das mit einer Karatokonjunktivits sicca einhergeht.

Das Syndrom der trockenen Augen entsteht oft durch stundenlange Bildschirmarbeit (Office Eye Syndrome), durch Umweltbelastungen, Kontaktlinsen, zu trockene Luft, Klimaanlagen, durch einen Testosteronmangel bei betagten Menschen, sowie als Nebenwirkung von Betablockern, Anti-Baby Pillen, durch eine Behandlung mit Anti-Androgenen und Inhibitoren der Androgensynthese, zum Beispiel zur Behandlung eines hormonsensiblen Prostatakarzinoms oder bei örtlicher Anwendung von Haarwuchsmitteln über längere Zeit, bei Lidrandentzündungen (Blepharitis), bei Rosazea, Allergien, bei Vitamin-A-Mangel, nach Augenoperationen wie der Lasik-Laseroperation oder anderen refraktiven Operationen, im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis oder durch andere Autoimmunerkrankungen, wie dem Sjögren-Syndrom.

Die Wissenschaftler fanden beim Syndrom der trockenen Augen ein Ungleichgewicht von extrazellulärer DNA und der Aktivität des Enzyms Nuklease auf der Oberfläche des Auges[i]. Auf der Oberfläche der Augen findet man ausserhalb der Zellen im schleimhaltigen Film Desoxyribonukleinsäure (DNA) und Chromatin aus weissen Blutkörperchen (neutrophilen Granulozyten (NETs), das aus Histonen, Cathlicidin und neutrophiler Elastase besteht. Die Nukleaseaktivität in der Tränenflüssigkeit ist bei diesem Syndrom verstärkt und die Konzentration der Nukleinsäure ausserhalb der Zellen (extranukleäre DNA) ist auf der Augenoberfläche erhöht. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Produktion extrazellulärer DNA und deren Abbau fehlreguliert sei und dass sich durch den Mangel an Nuklease in der Tränenflüssigkeit die extrazelluläre DNA ansammelt und die Entzündung der Oberfläche der Augen verursacht.

Die offizielle Therapie des Syndroms der trockenen Augen

Die Augenärzte versuchen, den Tränenfluss zu verbessern und wenn eine Grundkrankheit diagnostiziert wurde, eine Blepharitis, ein Sjögren-Syndrom etc., dafür zu sorgen, dass diese so gut als nur möglich behandelt wird. Man verschreibt Tränenersatzmittel als Augentropfen oder Augengel. Diese bestehen aus wässrigen Lösungen von Verdickungsmitteln (z. B. Povidon, Hydroxypropylmethylcellulose, Carboxymethylcellulose oder Trehalose, Salzen und zusätzlich Hyaluronsäure oder Dexpanthenol. Allergische Reaktionen kommen vor. Darum gibt es auch Präparate ohne Konservierungsmittel. Bei der so genannten hyperevaporativen Form versucht man die Funktion der Meibomschen Drüsen der Augenlider zu verbessern, durch eine sorgsame Lidrandhygiene und indem man die oberflächliche Lipidschicht des Tränenfilms mit lipidhaltige Tränenersatzmitteln verbessert oder durch einen liposomales Augenspray, den man auf die geschlossenen Augen aufsprüht. Fetthaltige Salben verbessern das Gleiten des Liedes auf der Oberfläche des Auges. Diese verwendet man besonders nachts. Manchmal werden so genannte «Punctum Plugs» in den ableitenden Tränenkanal der Augen eingesetzt, um den Abfluss der Tränenflüssigkeit zu reduzieren. Diese lösen sich aber nach einigen Wochen auf.

Es gibt auch Punktum Plugs, die man lange belassen kann, doch besteht bei diesen die Gefahr einer Entzündung, da die entzündungsfördernden Stoffe der Tränenflüssigkeit, die beim trockenen Auge eine veränderte Zusammensetzung hat, länger im Auge verbleiben. Durch den wegen der Plugs verringerten Abfluss der Tränenflüssigkeit riskiert man, dass Infektionen entstehen, da Bakterien, aus dem Nasenraum aufsteigen. Auch versucht man in geeigneten Fällen die entzündlichen Prozesse am Auge durch Cyclosporin-A-Lösung (Ikervis®) zu unterdrücken. An mehreren deutschen Universitäts-Augenkliniken ist eine Behandlung durch Serum aus Eigenblut in Erprobung. Auch werden zur Hemmung der Entzündung Androgene äusserlich angewandt.

Das Syndrom der trockenen Augen und die Ernährung

Die Wissenschaft hat erkannt, dass dies eine multifaktorielle Erkrankung des Systems der Augenoberfläche ist. Dabei besteht eine Instabilität der Zusammensetzung der Qualität des Tränenfilms. Dieser hat eine zu hohe Osmolarität. Hinzu kommt eine chronische Entzündung und eine Schädigung der Epithelzellschicht. Neuartige Therapien richten sich auf natürliche Weise gegen die Entzündung und oxidativen Stress. Es wurde erkannt, dass antioxydative und entzündungshemmende Nährstoffe für den Zustand der Oberfläche der Augen von grosser Bedeutung sind. Dazu gehören Omega-3- und Omega-6- Fettsäuren, die Vitamine A, B12, C, D3, das Spurenelement Selen und Flavonoide aus der Nahrung[i],[ii],[iii],[iv],[v].  

Der Tränenfilm besteht aus einer Lipidschicht, einer wässrigen Schicht und einer Muzinschicht. Die Lipide werden von den Meibom-Drüsen gebildet und der Lidschlag verteilt diese auf der Oberfläche des Auges. Diese Lipide vermindern die Verdunstung der Tränenflüssigkeit und stabilisieren den Tränenfilm. Beim Syndrom der trockenen Augen ist die Dicke, die Qualität und die Verteilung dieser Lipidschicht beeinträchtigt[i]. Die Qualität der Lipide, welche die Meibom-Drüsen absondern, ist abhängig von der Qualität der Ernährung. Bei trockenen Augen sprechen die Wissenschaftler von einer Dysfunktion der Meibom-Drüsen. Diese kann durch eine Ernährung mit vegetabiler Frischkost, mit hohem Gehalt an antioxydativen und entzündungshemmenden sekundären Pflanzenstoffen, an Flavonoiden, Carotinoiden und Sulfiden, sowie kalt gepressten, mehrfach ungesättigten Pflanzenölen behoben werden.

Die Diät, welche in unserem Bircher-Benner Handbuch Nr.25: «Für die innere Therapie der Augenkrankheiten» beschrieben ist, ist gegen das Syndrom der trockenen Augen zuverlässig wirksam und verbessert dies in wenigen Wochen, bis zur Heilung. Diese Krankheit ist in gutes Beispiel dafür, dass auch ganz lokale Erscheinungen immer im Zusammenhang mit dem ganzen biologischen System und Stoffwechsel betrachtet werden müssen, und nur durch die Therapie der Ursachen dauerhaft geheilt werden können.

Das Syndrom der trockenen Augen und die Naturheilkunde.

In diesem Sinne versteht die Naturheilkunde das Syndrom der trockenen Augen nicht bloss als ein lokales Problem. Sie betrachtet dieses in jedem Fall als Teilsymptom einer grundlegenden Regulationsstörung, auch wenn diese nicht immer zu einer manifesten Systemkrankheit, wie etwa einem Shjögren-Syndrom, ausgereift ist. Entscheidend ist auch bei dieser Krankheit die Diät, welche in unserem Buch beschrieben ist. Zudem kennt die Homöopathie hervorragende Mittel. Von Weleda gibt es Euphrasia D3-Augentropfen. Diese sind sehr gut wirksam. Euphrasia heisst nicht umsonst «Augentrost» und ist in der dreissigsten C-Potenz, innerlich eingenommen, sehr gut wirksam. Eine Vielzahl homöopathischer Arzneimittel enthalten in ihrem Arzneibild das Syndrom der trockenen Augen. Die Wahl muss individuell erfolgen, durch eine sorgsame homöopathische Anamnese eines in klassischer Homöopathie erfahrenen Arztes oder Heilpraktikers. Besonders häufig angezeigte Mittel sind: Natrium muriaticum, Alumina und Pulsatilla pratensis. Die klassische Homöopathie ist bei richtiger Wahl der Arznei, unter der Voraussetzung, dass die Ursache durch die Diät angegangen wird, sehr wirksam gegen das Syndrom der trockenen Augen, eine Therapie, die sich lohnt, auch wenn sie die diätetische Therapie nicht ersetzen kann.



[i] Xin Ye X. et al.: Abnormal of tear lipid layer and recent advances in clinical study of dry eye. Review Zhonghua Yan Ke Za Zhi 2012 Mar;48(3):282-5
 
Handbuch 25: Handbuch 4, Handbuch 2
  
[1] Sonawane S. et al.: Ocular Surface Extracellular DNA and Nuclease Activity Imbalance: A New Paradigm for Inflammation in Dry Eye Disease. Invest Ophthalmol Vis Sci. 2012,
[1] Pellegrini M. et al.: The Role of Nutrition and Nutritional Supplements in Ocular Surface Diseases.  Review Nutrients 2020 Mar 30;12(4):952
[1] Rand A.L. et al. : Nutritional supplements for dry eye syndrome. Review Curr Opin Ophthalmol
. 2011 Jul;22(4):279-82.
[1] Brigole Baudouin F. et al.: A multicentre, double-masked, randomized, controlled trial assessing the effect of oral supplementation of omega-3 and omega-6 fatty acids on a conjunctival inflammatory marker in dry eye patients. Randomized Controlled Trial Acta Ophthalmol 2011 Nov;89(7):e591-7
[1] Woijtowicz J.C. et al.: Pilot, prospective, randomized, double-masked, placebo-controlled clinical trial of an omega-3 supplement for dry eye. Randomized Controlled Trial Cornea 2011 Mar;30(3):308-14
[1] Deinema L.A. et al.: A Randomized, Double-Masked, Placebo-Controlled Clinical Trial of Two Forms of Omega-3 Supplements for Treating Dry Eye Disease. Randomized Controlled Trial Ophthalmology 2017 Jan;124(1):43-52
[1] Xin Ye X. et al.: Abnormal of tear lipid layer and recent advances in clinical study of dry eye. Review Zhonghua Yan Ke Za Zhi 2012 Mar;48(3):282-5
 
[i] Pellegrini M. et al.: The Role of Nutrition and Nutritional Supplements in Ocular Surface Diseases.  Review Nutrients 2020 Mar 30;12(4):952
[ii] Rand A.L. et al. : Nutritional supplements for dry eye syndrome. Review Curr Opin Ophthalmol
. 2011 Jul;22(4):279-82.
[iii] Brigole Baudouin F. et al.: A multicentre, double-masked, randomized, controlled trial assessing the effect of oral supplementation of omega-3 and omega-6 fatty acids on a conjunctival inflammatory marker in dry eye patients. Randomized Controlled Trial Acta Ophthalmol 2011 Nov;89(7):e591-7
[iv] Woijtowicz J.C. et al.: Pilot, prospective, randomized, double-masked, placebo-controlled clinical trial of an omega-3 supplement for dry eye. Randomized Controlled Trial Cornea 2011 Mar;30(3):308-14
[v] Deinema L.A. et al.: A Randomized, Double-Masked, Placebo-Controlled Clinical Trial of Two Forms of Omega-3 Supplements for Treating Dry Eye Disease. Randomized Controlled Trial Ophthalmology 2017 Jan;124(1):43-52

[i] Sonawane S. et al.: Ocular Surface Extracellular DNA and Nuclease Activity Imbalance: A New Paradigm for Inflammation in Dry Eye Disease. Invest Ophthalmol Vis Sci. 2012