Oxydativer Stress im Zentrum der Ursachen degenerativer Krankheiten und Demenz

Erstellt von Dr. med. Andres Bircher |

Oxydativer Stress steht im Zentrum der Ursachen degenerativer Krankheiten und Demenz.
Durch ungeeignete Ernährung, durch Reizmittel, Umweltbelastungen und ungeordnete Lebensweise, ionisierende, UV-A- und elektromagnetische Strahlung, häufige hohe Blutzuckerspiegel und Verzuckerung, sowie Versalzung der Gewebe erleidet der Organismus oxydativen Stress.

Dabei entsteht eine Stoffwechsellage, bei der eine das physiologische Ausmass überschreitende Menge an reaktiven Sauerstoffverbindungen (R.O.S.= reactive oxygen species) anfällt. Diese hochreaktiven oxydierenden Substanzen sind Moleküle mit mindestens einem ungesättigten Elektronenpaar, wodurch sie besonders reaktiv sind. Sie entstehen in den Mitochondrien, den die Glukose abbauenden „Kraftwerken“ der Zellen, durch Elektronenübertragungen und das Enzym Cytochrom P 450-Oxydase. Dabei bilden sich das Superoxydanionenradikal (O2 -), Wasserstoffsuperoxid (H2O2), das Hydroxydradikal (OH*) und Nitroxygen (NO*).
 
Gesunde Zellen können dadurch, dass sie neutralisierende Substanzen bereithalten, diese hochreaktiven Sauerstoffverbindungen neutralisieren. Die wichtigste antioxydative Substanz, die der Körper hierfür bereitstellt, ist Glutathion, ein Peptid, das er aus den drei Aminosäuren Glutaminsäure, Cystein und Glycin herstellt. Weitere wichtige Antioxidantien sind Ubichinon (aktiviertes Coenzym Q 10), die Vitamine A, C und E, sowie Selen und eine Vielzahl bioaktiver sekundärer Pflanzenstoffe aus vegetabiler Nahrung.
 
Bei oxydativem Stress im Stoffwechsel sind diese Reserven erschöpft. Dann kann oxidiertes Glutathion nicht mehr genügend in seine aktive, reduzierte Form zurückverwandelt werden, da auch das Enzym Glutathionreduktase erschöpft ist, wie auch andere Entgiftungsenzyme, so die Peroxyddismutase und die Katalase. Dadurch bleiben die hochreaktiven Oxydantien (R.O.S.) im Stoffwechsel liegen und beschädigen grosse Moleküle (Makromoleküle) in- und ausserhalb der Zellen.

Die Folgen

Dies hat gefährliche Folgen. Die ungesättigten Fettsäuren der Zellmembranen werden oxydiert (Lipidperoxydation), was zum Untergang von Mitochondrien führt, so dass die Zellen sich erschöpfen, und viel mehr Energie aufwenden müssen zur Erhaltung ihres elektrischen Membranpotentials. Hinzu kommt die Beschädigung der lipidhaltigen Myelinscheiden der rasch leitenden Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark und in den Nerven ausserhalb des zentralen Nervensystems durch die Lipidperoxydation.   Hinzu kommt weiterhin die Beschädigung von Eiweissen (Proteinperoxydation) und der Erbsubstanz (DNA-Peroxydation), was zur Spaltung der DNA-Moleküle der Erbsubstanz (Genmutationen) und dadurch zur Umwandlung gesunder Zellen zu Tumor- oder Krebszellen führt.
 
Besteht oxydativer Stress, so bedeutet dies, dass sich der Organismus in einem vorzeitigen Alterungsprozess befindet, der die Lebenserwartung arg beeinträchtigt. Im Traubenzuckerabbau (Glukoseabbau in der so genannten Atmungskette der Mitochondrien) entsteht im gesunden Zustand als Endprodukt Wasser. In etwa 2% geschehen dabei Fehler, so dass z.B. ein Sauerstoffatom sich mit nur einem statt mit 2 Wasserstoffatomen verbindet. Dadurch entsteht immer ein hochreaktives Spaltprodukt des Wassers, das Hydroxydradikal (OH*). Dieses freie Radikal ist so reaktiv, da das Sauerstoffatom des OH* Radikals mit grosser Kraft nach einem zusätzlichen Elektron aus irgendeinem anderen Molekül sucht. Weitere Radikale sind das Stickoxydradikal (NO*), das Chloridradikal (Cl*), das Bromradikal (Br*) u.a.
 
Die Bedeutung der freien Radikale liegt derzeit in grossem wissenschaftlichem Interesse im Zusammenhang mit der Erforschung der Ursachen verschiedener degenerativer Krankheiten und besonders neurodegenerativer Krankheiten, wie der Alzheimerkrankheit (AD), der multiplen Sklerose (MS), der amyotrophischen Lateralsklerose (ALS), der Chorea Huntigton und der Parkinsonschen Krankheit, sowie der diabetischen Neuropathie. Viele Studien weisen auf eine Zerstörung der Hirnstammganglien durch freie Radikale hin, als Ursache dieser immer häufiger werdenden Krankheiten. Bei der multiplen Sklerose bestehen Hinweise auf eine Schädigung der Myelinscheiden durch freie Radikale, so dass das Immunsystem gegen die oxydierten Lipide reagiert und bei der diabetischen Neuropathie ebenfalls.

Die wissenschaftliche Diskussion

Dass oxydativem Stress unter den Ursachen der degenerativen Krankheiten eine Schlüsselrolle zukommt, ist unter den Wissenschaftlern heute anerkannt. Der Vorgang beginnt mit der Oxidation von Proteinen und Enzymen, die dadurch ihre Raumstruktur (Tertiärstruktur) verändern und eine unlösliche Beta-Faltblattstruktur bilden, die dann in Form von Aggregaten, den Lewy-Körperchen bei der Parkinson-Krankheit oder den ß-Amyloidplaques und unlöslich gewordenen TAU-Proteinen bei der Alzheimerkrankheit im Gehirn abgelagert werden und die Nervenzellen zerstören.
Normalerweise wird die korrekte Faltung der Proteine mit Hilfe von speziellen Proteinkomplexen (Chaperonen) erreicht. Es wird vermutet, dass diese Chaperonkomplexe durch oxidativen und nitrosativen Stress so verändert werden, dass sie ihre Funktion bei der Herstellung einer korrekten dreidimensionalen Struktur der Proteine nicht mehr erfüllen können. Die in und ausserhalb der Nervenzellen abgelagerten unlöslichen degenerativen Eiweisse lösen den programmierten Zelltod (Apoptose) aus. Der Zelltod wird durch eine übermässige Ausschüttung des aktivierenden Neurotransmitters Glutamat ausgelöst. Glutamat aktiviert in den Zellmembranen einen Rezeptor (NMDA-Rezeptor), welcher einen andauernden Calciumeinstrom in die Nervenzellen auslöst. Dies aktiviert ein Enzym (NO-Synthetase), welches die Bildung des Stickoxydradikals (NO*) bewirkt. In den Mitochondrien hemmt übermässiges Calcium die Zellatmung. Dies führt zur massiven Bildung freier Radikale (ROS). Dabei wird das Radikal NO* zum hochreaktiven Peroxinitrit weiter oxidiert, das zusammen mit den anderen freien Radikalen (R.O.S) die Membranen durch Lipidperoxidation massiv schädigt. Diese Schäden setzen die Substanz Cytochrom C frei, welche die biologisch vorgegebene Kaskade der Zerstörung der Zelle (Apoptose) in Gang setzt. Im Gehirn gibt es einen zellerhaltenden Stoff, der die Nervenzellen vor einer Zerstörung durch Apoptose schützt. So würden diese durch gesunde Nachbarzellen geschützt. Da aber auch die Nachbarzellen angegriffen sind, fehlt dieser Schutzfaktor, so dass der Zelltod um sich greift.
 
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Oxidativer Stress ist an der Schädigung der Innenschicht der Blutgefässe durch viel Kochsalz und Zucker beteiligt. Eine Nahrung, die reich ist an antioxydativen sekundären Pflanzenstoffen wirkt dieser Zerstörung entgegen. Hierüber gibt das Bircher-Benner Handbuch Nr. 4 für Frischsäfte, Rohkost und Früchtespeisen eingehen Auskunft, mit Tabellen für die Wahl geeigneter Nahrungsmittel, ein Weg, der sich lohnt.
 

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