Antibiotika

Dr. med. Andres Bircher
Seit jeher waren Infektionskrankheiten die grösste Herausforderung für die Menschen. In engen Behausungen zusammengepfercht, ohne hygienische Einrichtung, war man ständig bedroht durch Pilze, Bakterien, Viren, Milben, Plasmodien und Läuse.

Hinter jeder Erkältung lauerte der Tod durch eine Lungenentzündung. Wohl  kannte man damals vielerlei Heilpflanzen, Mittel und Anwendungen. Zudem hielten die Ärzte und Apotheker alchimistische Mittel bereit. Doch überrollten gewaltige Epidemien die Länder, zogen über die Bevölkerung her und forderten vielen Menschen das Leben durch Typhus, Scharlach, Cholera und die grausame Pest. Barmherzige Ordensschwestern pflegten die Kranken und liessen sie selbst dann nicht im Stich, wenn sie hochinfektiös waren oder wenn sie  aussätzig im Siechenhaus lagen, wo ihre Gliedmassen sich nach und nach zersetzten, bis endlich der Tod dem unsäglichen Leid ein Ende setzte.  Man wusste um die Gefahr der Ansteckung, kannte aber weder Bakterien, noch Protozoen, Viren, noch Pilze, die das Phänomen erklärt hätten. Auch wusste man fast nichts über Hygiene oder Desinfektion, um sich schützen zu können. Und als das 19. Jahrhundert anbrach, wurden die Kinder zu Opfern der industriellen Revolution. Arbeiterfamilien hausten in dunklen Kasernen und arbeiteten während 72 Wochenstunden in dunklen, staubigen Fabriksälen. Da zeitigte die Tuberkulose ihre Opfer ganz besonders unter den Armen, die sich Sonnenkuren in den eleganten Sanatorien im Gebirge nicht leisten konnten.

Um 1840, als endlich die Mikroben sichtbar wurden und Louis Pasteur und Robert Koch das Phänomen der Infektion besser erklären konnten, beherrschte die Furcht vor Bakterien die medizinische Welt. So entstand nach und nach die menschliche Hygiene.

Im Jahr 1928 war Alexander Fleming, schottischer Bakteriologie an Londons St. Mary - Hospital, von monatelanger Beschäftigung mit Staphylokokken erschöpft und freute sich auf die Ferien. Seine Kulturen stellte er einfach zur Seite, statt sie zu entsorgen. Bei der Rückkehr am 28. September sah er, dass auf einem der Nährböden ein Pilz gewachsen war und dass dieser das Wachstum der Staphylokokken verhindert hatte. Er nahm dies sehr ernst, identifizierte den Pilz als Penicillium notatum, isolierte die Wirksubstanz und nannte sie Penizillin. Noch ahnte er nicht die immense Bedeutung seiner Entdeckung. Zudem dauerte es viele Jahre, bis die Massenproduktion durch Kulturen des Schimmelpilzes möglich wurde und die Verträglichkeit für den Menschen bewiesen war. Am 12. Februar 1941 erhielt ein 43 jähriger Londoner Polizist als erster Patient der Welt das Penizillin und seine Blutvergiftung heilte prompt aus.

Die Entwicklung der Antibiotika ist ein grosser Segen für die Menschheit. Sie hat die Bedrohung durch Pest, Lepra (Aussatz), Scharlach, Typhus, Milzbrand, Hirnhaut- und Lungenentzündungen und wenig später, durch die Entwicklung weiterer Antibiotika, auch die weite Verbreitung der Tuberkulose gebannt.

Doch warnte Alexander Fleming bereits bei der Nobelpreiserteilung vor falschem Gebrauch und Resistenzbildung. Durch den prophylaktischen Einsatz des Penizillins bei viralen Infekten und durch unzuverlässige Einnahme durch die Patienten, wurden bald immer mehr Bakterienstämme resistent, so dass immer neue Antibiotika entwickelt werden mussten. Hinzu kam der Missbrauch der Antibiotika für Fischzucht und Tiermast. So werden heute über Gülle und Mistausbringung aus der Intensivtierhaltung grosse Mengen antibiotikaresistenter Bakterien in die Umwelt freigesetzt. Sie gelangen durch Düngung mit Gülle und Mist direkt in die Nahrungsmittel und von da in uns Menschen. Die Wissenschaftler fordern seit langem die Politiker auf, den Einsatz der Antibiotika in der Tierzucht massiv einzudämmen. Doch dem wird nicht Folge geleistet. Hinzu kommt, dass Spitäler, Operationssäle und Intensivpflegestationen zunehmend mit Bakterienstämmen durchseucht sind, die gegen alle Desinfektionsmittel und Antibiotika resistent geworden sind (Hospitalismus). Schwere Wundinfektionen durch Spitalkeime (nosokomiale Infektionen) werden häufiger. 4-20% der beatmeten Patienten sterben an einer Lungenentzündung durch Acinetobakterien aus der Intensivpflegestation. Besonders gefürchtet ist das Bakterium Clostridium difficile, das in Pflegeabteilungen und Heimen haust und schwerste Infektionen verursachen kann, die auf kein Antibiotikum ansprechen.

Antibiotika sollen so wenig wie nur möglich zum Einsatz kommen. Sie müssen korrekt gewählt und eingesetzt und mindestens 5 Tage in voller Dosierung eingenommen werden, ein Vorgehen, das sich für die Zukunft lohnt.

Tipp:
Sind Sie erkältet, so geben Sie den natürlichen Heilungskräften volle Chance. Fieber senken richtet sich gegen das Immunsystem. Legen Sie sich ins Bett. Trinken Sie täglich 4 Liter Lindenblütentee mit Zitrone und Honig, essen Sie Obst und ruhen Sie sich gründlich aus, bis die Erkältung überwunden ist. Ihr Körper wird Ihnen dankbar sein.

Handbuch 4 | Ordnungsgesetze