Das galvanische Bad

Dr. med. Andres Bircher
Im November 1780 experimentierte Luigi Galvani, Professor für Medizin an der Universität Bologna, mit Froschschenkeln und Metallen. Dabei beobachtete er, dass sich die Muskulatur zusammenzog, wenn er zwei verschiedene Metalle mit ihr in Berührung brachte.

Noch wusste er nichts von elektrischem Strom. Heute nennt man jede Art von Therapie, bei welcher schwacher Gleichstrom durch den Körper geleitet wird, Galvanotherapie. 1858 legte der damals berühmte Neurologe Robert Remak aus Posen, welcher den Zellkern als Grundstruktur für die Zellteilung erkannt hatte, Experimente mit galvanischen Bädern vor.

Dabei wird der Strom von Elektroden aus im Wasser durch den Körper geleitet. 1874 experimentierten die Gerbermeister Johann und Heinrich Stanger aus Ulm mit galvanischen Bädern. Sie hatten die Idee, das Gerbverfahren durch das Einbringen von Gleichstrom ins Gerbungsbad  zu verbessern. Dabei beobachteten sie, durch Zufall, dass der Gichtschub eines Arbeiters sich unerklärlich besserte. Also konstruierten sie eine Badewanne aus Holz, brachten Elektroden darin an und erfanden so das Stangerbad.

1883 erschien ein Buch des berühmten Neurologen Professor Albert Eulenburg unter dem Namen „Die hydroelektrischen Bäder“. Er hatte bewiesen, dass galvanische Bäder Schmerzen lindern, verspannte Muskulatur lockern, rheumatische Entzündungen bessern und die Durchblutung der Gewebe stark erhöhen. Durch Eulenburg wurden galvanische Bäder wissenschaftlich anerkannt und so erhielten sie Einzug in Sanatorien und Universitätsspitäler. In der Mitte des 20. Jahrhunderts fand man das Stangerbad in der Rheumatologie jedes Universitätsspitals. Danach verdrängte der ökonomische Einfluss der Pharmaindustrie auf die Universitäten vielerorts das Stangerbad aus dem therapeutischen Arsenal oder es wurde durch das galvanische Vierzellenbad ersetzt, welches viel weniger Wasser verbraucht.

In sachkundigen Händen ist das galvanische Bad jedoch nach wie vor ein wunderbares und hoch wirksames therapeutisches Mittel. Mittels Wärmeleitzahlmessungen wurde gezeigt, dass es die Hautdurchblutung um 500% erhöht und diejenige der tiefen Muskulatur um 300%. Damit wird der Zellstoffwechsel stark gebessert und werden Stoffwechselgifte ausgeschieden. Von der Anode (positiver Pol) geht eine beruhigende Wirkung auf das Nervensystem aus, eine Linderung von Schmerzen und Entspannung der Muskulatur. Dagegen steigert die Kathode (negativer Pol) die Erregbarkeit der Nerven und der Durchblutung. Der Therapeut muss also genau wissen, was er wo am Körper bewirken muss. Bei modernen Stangerbädern und dem Vierzellenbad kann die Richtung des Stromflusses durch den Körper sorgsam eingestellt werden.

Galvanische Bäder entfalten grosse Wirkungen bei arteriellen Durchblutungsstörungen, rheumatischen Leiden, Ischias, bei Morbus Bechterew und Spondylarthrosen, aber auch bei Menstruationsschmerzen. Ganz besonders wertvoll ist sein Einsatz bei der Behandlung der Fibromyalgie.

Bluthochdruck gesenkt werden, wenn, wenn der Strom von oben nach unten geleitet wird. Bei Herzerkrankungen und bei Patienten mit Metallen im Körper dürfen dagegen galvanische Bäder nicht angewendet werden, auch nicht bei Lymphstau und gewissen Hautkrankheiten.

Galvanische Bäder allein können Krankheiten nicht heilen, aber sie können wesentlich zur Heilung und zur Reduktion von Medikamenten und damit deren Nebenwirkungen und deren Belastung des Stoffwechsels und des Immunsystems beitragen. Sachkundig angewandt sind die galvanischen Bäder sehr wirksam, vollkommen gefahrlos, nebenwirkungsfrei und angenehm für den Patienten. Eine Therapie, die eigentlich in jede Klinik und jedes therapeutische Zentrum gehört.

Tipp:
In jedem deutschen Kurort befindet sich mindestens ein Badearzt. Es lohnt sich, ihn um Rat zu fragen. Galvanische Bäder sind zu Hause nicht möglich, aber er kann sie verordnen und für Sie einen geeigneten Badmeister auswählen; Eine Therapie, die sich lohnt.

Handbuch 4 | Ordnungsgesetze