Der beste Gesundheitsurlaub

Dr. med. Andres Bircher
Die Klimatherapie, einst die wichtigste therapeutische Massnahme der Medizin, ist dem enormen Einfluss der wirtschaftlichen Aktivität der Pharmaindustrie auf das Denken und Handeln der Ärzte beinah zum Opfer gefallen.

Und dennoch stehen heute durch Überlieferung und neue Forschungen die Kenntnisse über die mächtige Wirkung des Klimas auf uns Menschen auf solidem wissenschaftlichem Grund. Wer Besserung erfahren will und die Überraschung einer unerwarteten Verschlechterung vermeiden will, muss den Ort seines Urlaubes sorgsam wählen.

Wer an Erkältlichkeit leidet, an chronischer Nebenhöhlenentzündung oder an chronischer Bronchitis, fährt am besten an die Nordsee oder an die Ostsee. Auch das Hochgebirge (über 1000 m ü. M.) ist für ihn geeignet, nicht aber das Mittelgebirge (600-1000 m.ü.M.) oder etwa eine Thalassotherapie. Menschen mit Lungenemphysem (COPD=chronic obstruktive pulmonary disease) sind an der Nord- und Ostsee wohl, nie jedoch im Hochgebirge. Für Menschen, die an atopischem Ekzem (Neurodermitis), Asthma bronchiale oder Heuschupfen leiden, ist das Hochgebirge dagegen ideal. Da gibt es praktisch keine Milben und durch ein tägliches Sonnenbad von 20 Minuten (ohne Sonnenschutzcrème mit Kopfbedeckung) entfaltet dar hohe UVB-Lichtgehalt der Bergsonne seine grosse therapeutische Wirkung auf die Lungen, den Knochenbau und das Immunsystem, Wirkungen, die 1858 durch den deutschen Arzt Dr. Alexander Spengler entdeckt worden sind, dem Davoser Pionier der Klimatherapie der Tuberkulose. Für nicht allergische Hautkrankheiten, wie die Akne Jugendlicher, die Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris) oder Vitiligo (Weissfleckenkrankheit) sind die Nord- und Ostseeküsten im Sommer und das Hochgebirge das ganze Jahr über ideal. Dies gilt auch für eine allgemeine gesundheitliche Umstimmung oder das kindliche Asthma bronchiale (Reizklima, Verschonung vor Milben und Pollen). Menschen mit schwerer Psoriasis-Arthritis erfahren am toten Meer bedeutende Besserungen. Wer seine Konstitution trainieren möchte oder an einer saisonalen Depression leidet (Wintermelancholie), erlebt im Sommer und Winter im Hochgebirge bedeutende Besserung. Wer an einer schweren Krankheit leidet, etwa an Krebs oder wer sich nach einer Operation oder allgemeiner Krankheit mitgenommen fühlt (Rekonvaleszenz), erholt sich am besten im Mittelgebirge (600-1000 m.ü.M). Für Herz- und Kreislaufkranke, Bluthochdruck, Angina pectoris (AVK, KHK), Thrombosen, bei Hochdruck im Lungenkreislauf (chronischem cor pulmonale), bei Neigung zu Thrombose oder Embolie, nach Herzinfarkt oder Schlaganfall ist ausschliesslich das Mittelgebirge geeignet. Der starke klimatische Reiz an der Nordsee, im Hochgebirge oder eine Thalassotherapie kann für Herz-Kreislaufpatienten gefährlich sein. Wer an einer chronischen Uveitis (Regenbogenhautentzündung des Auges) leidet soll im Sommer an die See fahren oder das ganze Jahr über ins Hochgebirge. Thalassotherapie eignet sich ganz und gar nicht für Kinder, besonders nicht für asthmatische Kleinkinder. Genau wie im starken Reizklima der Nordsee riskiert man dort bedeutende Verschlechterungen. Säuglinge, Kleinstkinder und Menschen mit Mukoviszidose geht es am besten im Mittelgebirge, niemals aber an der Nordsee, im Hochgebirge oder bei einer Thalassotherapie. Für rüstige Senioren ist das Mittelgebirge ideal, so auch für ältere, kränkelnde Menschen, für die das Hochgebirge, die Nordsee oder eine Thalassotherapie sehr gefährlich sein kann. Auch hochbetagten Menschen geht es im Mittelgebirge am besten, schlecht vertragen sie Reizklimata wie die See oder das Hochgebirge.  Bei rheumatischen Krankheiten, wie chronischer Polyarthritis, Osteoarthritis, Arthrose oder Fibromyalgie sind Seebäder, aktive Physiotherapie im Wasser und vor allem die Balneotherapie (Schlammanwendungen, Moor- oder Schwefelbäder, Wickel und Packungen) wirksam. Deutschland ist reich an hervorragenden Rheumabadekurorten. Noch heute erinnert uns der Name „Ischias“ (Hexenschuss) an die Antike, an die römischen Bad- und Heilanstalten auf der Insel „Ischia“ bei Neapel.

Planen Sie sorgsam die Dauer Ihres heilklimatischen Urlaubes:  mindestens 4, besser 6 Wochen sind erforderlich, um zu erreichen, dass die Wirkung bis ins folgende Jahr anhält. Beachten Sie auch das diätetische Angebot Ihres Kurortes. In vielen Kurhäusern isst man sich krank. Kombinieren Sie Ihre Klimakur mit der grossen, heilenden Wirkung einer vegetabilen Frischkostdiät, unter Verzicht auf Reizmittel wie Kaffee und Alkohol und auf alle Medikamente, die nicht unbedingt nötig sind. Legen Sie sich um 9 Uhr zur Ruhe, ob Sie einschlafen oder nicht und stehen Sie früh auf zum Morgenspaziergang vor dem Frühstück und wandern Sie täglich mindestens eine Stunde. Auf diese Weise dürfen Sie eine viel grössere Wirkung Ihrer Kur erwarten, neue Lebensfreude, Kreativität und Wohlbefinden. Ein Weg, der sich lohnt.           

Tipp:
Legen Sie sich wohlig an die Sonne. Denken Sie an Reisen, an jeden früheren Urlaub. Wo war es Ihnen besonders wohl?  Wo möchten Sie gerade jetzt am liebsten sein? Was können Sie tun, um die nötige Dauer von 4-6 Wochen einzuplanen, damit Sie wirklich sich erholen werden?

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