23 vor Christus heilte Antonius Musa den Kaiser Augustus mit kalten Bädern von einer schweren Krankheit. Die Vermögendsten reisten nach Neapel in die Kurzentren der Insel Ischia, bei Rückenschmerz und Hexenschuss (Ischias). 1738 publizierte Johann Sigmund Hahn die erste deutsche Anleitung für Ärzte zur Hydrotherapie, allerdings ohne dass dies beachtet worden wäre, bis 1849 der Münchner Philosophiestudenten Sebastian Kneipp das kleine Büchlein entdeckte und seine Tuberkulose heilte: mit einem täglichen Bad in der kalten Donau. Allerdings betrieb schon seit 1826 der österreichische Bauer Vincenz Preissnitz von Gräfenberg eine erste Wasserheilanstalt und heilte 34‘000 Menschen von ihren Beschwerden. Pfarrer Kneipps grosser Ernst und ärztliche Hingabe bescherten auch ihm grossen Erfolg, denn bald pilgerten Tausende verzweifelte kranke Menschen zu ihm nach Bad Wörishofen, um durch Lebensordnung Güsse, Wickel, Packungen und Kräutertees gesund zu werden. Der Erfolg war überzeugend, so dass bald immer mehr Ärzte zu ihm reisten, um von ihm zu lernen, so der Wiener Internist Wilhelm Winternitz. Er griff das Gelernte auf und entwickelte die Hydrotherapie weiter. In Wien gründete er eine grosse Wasserheilanstalt und als ordentlicher Professor an der Universität brachte er die Kunst der Hydrotherapie auf universitäres Niveau. Vielen tausend angehenden Ärzten brachte er diese Kunst bei. Bald gehörte eine grosse Hydrotherapieabteilung mit Wechselbädern, Blitzguss, Preissnitzpackungen, Stanger- und Vierzellenbad zu jeder Rheumaklinik, die etwas auf sich hatte. Heute allerdings findet man sie nur noch an Badekurorten, denn als man nach der Entdeckung der Antibiotika und des Cortisons glaubte, alle Krankheiten heilen zu können, verlernten die Ärzte die Kunst der Hydrotherapie bald wieder. Doch hatten sie sich gründlich getäuscht: Bis heute heilen die Rheumatischen Krankheiten mit Medikamenten nicht aus und werden immer häufiger. So zeigen die Statistiken der Weltgesundheitsorganisation WHO nur allzu deutlich die Grenzen der modernen Pharmakotherapie.
Die Naturheilkunde versteht Krankheit als Störung der Grundregulation und die Symptome als Ausdruck der Anstrengung des biologischen Systems, um das verlorene gesunde dynamische Gleichgewicht aller Vorgänge wieder herzustellen. Jede Massnahme, die dazu angetan ist, Symptome zu unterdrücken, richtet sich gegen die Heilungskraft und bewirkt, Chronizität. Jede therapeutische Massnahme, welche dazu angetan ist, das Gleichgewicht aller Vorgänge der natürlichen Ordnung wieder herzustellen, unterstützt die natürliche Heilungskraft und leitet sie in die geeignete Richtung. Wir nennen dies Ordnungstherapie. Periodisch erscheinende Symptome zeigen, dass eine Krankheit chronisch ist und dass der Körper keinen Weg zurück zur Ordnung, zur Gesundheit, findet.
Die Hydrotherapie ist ein ganz wichtiges Mittel der Naturheilkunde, wenn es darum geht, die natürlichen Ordnungen im biologischen System wieder herzustellen. Sachkundig angewandt ist sie gefahrlos und äusserst wirksam. Vor jeder Anwendung muss der Körper warm sein, durch ein Bad oder eine heisse Dusche. Danach ruht man sich aus. Die Reize sollen klar, und nicht zu stark sein. Ein jeder kann’s zu Hause tun. Am besten beginnt man damit, dass man die Hände immer mit kaltem Wasser wäscht. Ein morgendlicher Schenkelguss ändert die Fähigkeit zur Grundregulation und bringt innere Wärme und Stabilität zurück. Gut aufgewärmt, beginnt man mit der kalten Brause rechts am Vorfuss, geht hoch bis zur Leiste und innen wieder hinunter, dann links und jetzt dasselbe nochmals, indem man beim Übergang von aussen nach innen hinten herum geht. Nach ein paar Tagen erschreckt das kalte Wasser nicht mehr und da die Beine bereits viel leichter und stabiler geworden sind, möchte man weiter machen und weiter nach oben gehen, zum Damm, zum Unterleib und jeden Tag etwas höher bis zu den Hüften. Bald will man von den Schultern aus vorn und hinten die Arme und die Hände begiessen und später auch den Nacken. Nach weiteren drei Wochen möchte man die Brust, die Flanke, die Achselhöhlen und den Hals begiessen, noch später auch den Rücken, was uns tief Luft holen lässt. Dann begiesst man auch die Ohren, das Gesicht und - wenn es die Haartracht erlaubt - ganz kurz den Scheitel. Stabilität und Wohlbefinden stellen sich ein und eine nie da gewesene geistige Kraft und Klarheit, die uns jeden Kaffee vergessen lässt. Bald möchte man diese Wirkung nicht mehr missen und man erlebt, dass die Stimmung sich aufhellt und dass eine Vielzahl von Beschwerden, die Venen, die Verdauung, die Wärmeregulation, Migräne, Kopf- und Rückenschmerzen viel besser werden und dass wir Hitze, Zugluft und Kälte besser vertragen und man wird resistent gegen Erkältungen.
Die Hydrotherapie ist eine einfache, kräftige Regulationstherapie. Ein ganz eigenständiger Weg, der - vereint mit vegetabiler Frischkost und neuer Lebensordnung - zur Heilung vieler Krankheiten beiträgt, ein Weg, der sich lohnt.
Tipp:
Bei Menstruations- oder Prostatabeschwerden hilft das Kuhnesche Reibesitzbad: Nach einem angenehmen Vollbad lässt man das Wasser auslaufen, setzt sich in der Badewanne auf einen Schemel und stellt einen Eimer mit kaltem Wasser vor sich hin. Mit einem ins kalte Wasser getauchte Badetuch beklatscht man sich kräftig die Innenseite der Oberschenkel von den Knien bis zum Damm, bis innere Wärme entsteht. Danach ruht man sich zugedeckt ½ Stunde aus. Bei Kopfschmerzen und Migräne: wechselwarme Armbäder, bei Schlafstörungen tägliches kaltes Wassertreten vor dem Einschlafen. Bei Depression ein täglicher Nackenguss.