Die Allergie - eine besondere Art der Immunschwäche

  • Erstellt von Dr. med. Andres Bircher-Benner

Eine Allergie ist eine krankhafte, überschiessende Abwehrreaktion des Immunsystems gegen bestimmte, normalerweise harmlose, Umweltstoffe. Diese bezeichnet man als Allergene.

Bei gesundem Immunsystem verhindern die regulatorischen T-Zellen ein solches Überschiessen der Immunantwort gegen harmlose Antigene und sorgen für eine gesunde Immuntoleranz gegenüber körpereigenen Strukturen. Die allergische Reaktion richtet sich gegen fremde Eiweisse, die von aussen in uns gelangen, besonders in die Schleimhaut der Atemwege, in die Lungen, in den Verdauungstrakt, in die Haut oder in das Blut.

In den Schleimhäuten gibt es, auch wenn wir gesund sind, Mastzellen. Diese enthalten viel Histamin. Gelangt ein Allergen an sie heran, so schütten sie es aus und das Histamin entfacht eine akute allergische Entzündung. Dabei werden basophile und eosinophile weisse Blutkörperchen aktiviert, welche die Entzündung verstärken. Geschieht dies in einem grossen Umfeld unseres Körpers, so können schwerste Symptome entstehen, bis hin zum lebensgefährlichen allergischen Schock. Allergie bedeutet, wie schon gesagt, Immunschwäche der regulatorischen T-Helferzellen, deren Aufgabe es ist, die Immunantwort zu modulieren und überschiessende Reaktionen zu verhindern.

Man unterscheidet vier verschiedene Arten allergischer Reaktion:

  • Die Typ I Reaktion ist eine Sofortreaktion
    Rund 90 Prozent aller allergischen Reaktionen setzen nach dem Kontakt mit dem Allergen sofort ein. So verläuft zum Beispiel eine Allergie gegen Pollen, Hausstaubmilben, Nahrungsmittel, Insektengifte und Tierhaare.
  • Die Typ II Reaktion ist in ihrer Art vom zytotoxischen Typ
    Sie kommt selten vor und entsteht, wenn sich Antikörper an bestimmte Zellstrukturen binden. Dies würde zum Beispiel geschehen, wenn eine Blutkonserve mit einer falschen Blutgruppe infundiert würde.
  • Die Typ III Reaktion
    Diese Reaktion entsteht, wenn in gewissen Geweben bereits Immunkomplexe aus Allergenen und Antikörpern vorhanden sind, zum Beispiel in der Synovia der Gelenke oder in den Blutgefäßen. Dies geschieht bei rheumatoider Arthritis und anderen Autoimmunkrankheiten.
  • Die Typ IV Reaktion vom Spättyp
    Sie ist typisch für Kontaktallergien. Zwischen dem Kontakt mit dem Allergen und dem Beginn der Entzündung können bis zu 48 Stunden vergehen.

Statistiken

Nach den Statistiken des Robert Koch Instituts leiden in Deutschland 20% der Menschen an einer Allergie: 8,6% an allergischem Asthma bronchiale, 14,8% an Heuschnupfen, 3,5% an Neurodermitis, 8,1% an einem Kontaktekzem, 4,7% an einer ausgeprägten, IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie und 2,8% an einer Allergie gegen ein Insektengift. Die meisten Allergene lassen sich nicht beseitigen. Man kann weder Birken, Haselsträucher, noch Gräser von der Welt verbannen. Es gibt also nur die Möglichkeit, die Ursachen zu behandeln, damit die Allergie zurückgeht.

Ursachen

Zu den Ursachen und warum sie immer häufiger werden, gibt es viele Hypothesen:

Die Hygienehypothese geht davon aus, dass die Hygiene in den Industrieländern übertrieben sei, so dass das Immunsystem der Kinder zu wenig herausgefordert werde[1].

Die Hypothese zum Rückgang parasitärer Erkrankungen besagt, dass sich das Immunsystem vermehrt auf an sich harmlose Allergene konzentriere, da sich seine Abwehrreaktion und die Bildung von IgE-Antikörpern vor allem gegen Parasiten richten sollte, an denen nicht mehr viele Menschen erkanken.. Der Rückgang parasitärer Erkrankungen soll eine Umlenkung des Immunsystems auf andere, harmlose Strukturen bewirkt haben[2]. In der Tat gibt es in Ländern mit viel parasitären Krankheiten weniger Allergien anderer Art. In westlichen Industrienationen sind Parasitäre Krankheiten selten, doch sind sie vorhanden, so bewirken sie immer eine verstärkte Bildung von IgE-Antikörpern. In Vietnam leiden Kinder mit intestinalem Wurmbefall um 60% seltener an einer Allergie gegen Hausstaubmilben[3]. Doch gibt es auch Forschungsergebnisse, die dem widersprechen[4],[5] und ganz andere Möglichkeiten, dies zu erklären.

Die Hypothese zur Umweltverschmutzung beruht darauf, dass man festgestellt hat, dass Kinder seltener an Allergien litten, in deren täglichem Umfeld mehr Endotoxine nachgewiesen werden konnten[6]. Dieselrusspartikel heften sich an Blütenpollen und verstärken allergische Reaktionen. Auch ist die Art der Eiweisse von Haselpollen durch die Luftverschmutzung verändert, was ihr allergisches Potential verstärkt[7]. Pollen der Ambrosiagräser zählen zu den stärksten Allergenen. Werden sie mit Stickoxyd belastet, so ist ihre Wirkung wesentlich aggressiver[8]. Ein Zusammenhang zwischen traditionellen Impfungen und Allergien wird verneint[9]. Doch erzeugen die neuen, gentechnischen Impfungen Autoimmunkrankheiten und möglicherweise auch allergische Reaktionen. Ein hoher Vitamin D Spiegel soll Kinder vor Allergien schützen[10], während Paracetamol und Antibiotika Allergien fördern[11],[12]. Der Pollenflug soll sich wegen Stressreaktionen der Bäume auf die Erderwärmung oder Schadstoffen verstärkt haben. Auch leben in gut geheizten Häusern mehr Milben. Allergien verstärken sich durch körperlichen oder psychosozialen Stress. Zu genetischen Faktoren gibt es keine Klarheit. Hingegen reduziert längeres Stillen das Risiko eines allergischen Asthmas beim Kinde deutlich[13].

Trotz all dieser Einflüsse ist die Ernährung in der Schwangerschaft, während der Kindheit und im ganzen Leben, die Entscheidende Ursache.

Die allgemein verbreitete Fehlernährung mit viel Fleisch, Käse und anderen Milchprodukten, Zucker, Weissmehlspeisen, industriell verkünstelter Nahrung, Kochsalz, Kaffee und Alkohol wirkt sich massiv auf das Mikrobiom des Darms aus und auf das enterale Immunsystem. Zeitlebens wird die Immunkompetenz der Immunzellen in fast unendlich vielen Lymphzellnestern der Darmschleimhaut geschult, deren ausgebreitete Fläche derjenigen eines Tennisfeldes entspricht.  Durch die Fehlernährung entsteht eine tief eingedrungene Schädigung der Darmflora, die Darmbarriere wird undicht gegen Allergene, das Immunsystem wird schwach gegen Infektionen und Krebs und dessen Kontrolle gegen überschiessende Reaktionen leidet, so dass Allergie und Autoimmunkrankheiten immer häufiger werden.

Tipp

Zur Verhütung von Allergien ist eine laktovegetabile Vollwertkost mit hohem Rohkostanteil wirksam und zur Ausheilung eine mehrmonatige Heildiät aus vegetabiler Frischkost, wie sie in unserem Bircher-Benner Handbuch Nr. 4: «Frischsäfte, Rohkost und Früchtespeisen» beschrieben ist: Ein Weg, der sich lohnt.

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Quellenangaben
[1] Rieder J. et al.: Exposure to farming in early life and development of asthma and allergy: a cross-sectional survey.  The Lancet. Band 358, Nummer 9288, Oktober 2001, S. 1129–1133
[2] Yazdanbakhsh M. et al.: Parasites and the hygiene hypothesis: regulating the immune system?  Clinical reviews in allergy & immunology. Band 26, Nummer 1, Februar 2004, S. 15–24
[3] Flohr C. et al.: Poor sanitation and helminth infection protect against skin sensitization in Vietnamese children: A cross-sectional study. The Journal of allergy and clinical immunology. Band 118, Nummer 6, Dezember 2006, S. 1305–1311
[4] Zutavern A. et al.: Atopic dermatitis, extrinsic atopic dermatitis and the hygiene hypothesis: results from a cross-sectional study. Clinical & Experimental Allergy. Band 35, Nummer 10, Oktober 2005, S. 1301–1308
[5] Wilson M.S. et al.: Regulation of allergy and autoimmunity in helminth infection. Clinical reviews in allergy & immunology. Band 26, Nummer 1, Februar 2004, S. 35–50
[6] Lauener R.P.: Allergien: Genetisch determiniertes Schicksal oder durch Umwelteinflüsse bestimmte Krankheit? Monatsschrift Kinderheilkunde. Band 151, S1, Dezember 2003
[7] SRF Tagesschau vom 23. Februar 2014 über Forschungen der Technischen Universität München und der Universität Zürich (Memento vom 29. Juli 2014 im Internet Archive)
[8] Focus Heft der Universität München 35/15, vom 22. August 2015, S. 82
[9] Schäfer T.: Primär- und Sekundärprävention. In: Tilo Biedermann, Werner Heppt, Harald Renz, Martin Röcken (Hrsg.): Allergologie. 2. Auflage. Springer, 2016, ISBN 978-3-642-37202-5, S. 658
[10] Kull I. et al.: Early-life supplementation of vitamins A and D, in water-soluble form or in peanut oil, and allergic diseases during childhood. In: The Journal of allergy and clinical immunology. Band 118, Nummer 6, Dezember 2006, S. 1299–1304
[11] Kozyrskyj A.L. et al.: Increased risk of childhood asthma from antibiotic use in early life. Chest. Band 131, Nummer 6, Juni 2007, S. 1753–1759
[12] Davey G. et al.: Use of acetaminophen and the risk of self-reported allergic symptoms and skin sensitization in Butajira, Ethiopia. The Journal of allergy and clinical immunology. Band 116, Nummer 4, Oktober 2005, S. 863–868
[13] Friebel V.: So arbeitet das Immunsystem 1. Auflage, Falken-Verlag GmbH, Niederhausen/Ts. 1992, S. 51–58, ISBN 3-8068-1253-5